19. Wärmeberechnung

Hier kommt der Sekundarschul-Physikunterricht zur Geltung. Das Prinzip ist einfach: jede Aussenwand hat im Winter eine Innenseite, die erwärmt wird und eine Aussenseite, die dauernd von der Aussenluft gekühlt wird. Die Menge an Wärme, die von innen nach aussen fliesst, wird der u-Wert der Wand genannt und setzt sich zusammen aus den u-Werten und den Stärken der Materialien, woraus die Wand aufgebaut ist. Ein u-Wert ist eine Kennzahl, die pro m² Wandoberfläche, pro m Wandstärke und pro °C (oder K) besagt, wieviel Energie (in Watt) durch die Wand fliesst. Die Webseite http://www.u-wert.net macht es einfach, den u-Wert eines gesamten Wandaufbaus auszurechnen, wenn man dessen Materialien und deren Stärke kennt. Die Grösse der Aussenwände (innenseitig) sollte man auch kennen.

Mit einer Spreadsheet kann man es sich beim Rechnen bequem machen und die Aussentemperatur als Variable einsetzen und sich so ein paar Varianten ausrechnen.

Die Dimensionierung einer Heizung orientiert sich üblicherweise am kältesten Monat, aber nicht unbedingt an dem kältest denkbaren Tag.

Natürlich sollte man auch Sonneneinstrahlung berücksichtigen: sowohl die, die durch die Fenster ins Haus kommt, als auch die, die die Wände von aussen erwärmt. Dazu kann man auf wesentlich kompliziertere Software zurückgreifen wie ESR , jemand beauftragen, oder es ignorieren, weil man vorerst ein "worst case scenario" ausrechnen möchte. In unserem Fall war das Ignorieren u.a. angesagt, weil das Haus im tiefsten Winter nur drei Stunden Sonne abbekommt. Übrigens war es deswegen auch nicht naheliegend, ein Passivhaus realisieren zu wollen.

Den obligatorischen "Energienachweis" muss man trotzdem machen lassen, aber der hilft weder beim Verstehen, Entwerfen oder Alternativen Abwägen und ist einfach ein bürokratischer Obulus: machen lassen und zahlen (600-1000CHF).

Zusammenfassend hatten wir folgende Werte (siehe Tabellen ) und somit braucht unser Haus bei -10°C Aussentemperatur und +20°C innen theoretisch etwa 2kW Heizleistung.

Übrigens bringen Menschen etwa 100Watt pro Person und elektrische Geräte und Lampen auch im Schnitt ein paar hundert Watt. In unserer Wärmeberechnung gibt es noch so ein paar Kennzahlen und Kurzformeln.

19.1. Feuchtigkeitstransport, Luftaustausch

So wie die Wärmedämmung berechnet werden kann, kann man auch ausrechnen, was mit Wasserdampf passiert, der im Haus produziert wird (atmen, kochen, Wäsche trocknen usw). Im Winter ist in der warmen Innenluft wesentlich mehr Wasser enthalten als draussen. Die Aussenluft kann rein physikalisch nicht soviel Dampf enthalten und somit kondensiert diese beim Abkühlen. Wenn das in oder an der Wand und Fenster passiert, kann die hohe Feuchtigkeit Schäden verursachen, z.B. weil Schimmelpilze wachsen können.

Bei dem Wandaufbau ist es deswegen ideal, wenn dieser von Innen nach Aussen immer durchlässiger wird: dann kann das relativ wenige Wasser, das in die Wand dringt, auf alle Fälle an die Aussenluft abgegeben werden. Rechenmodelle gibt es auch hier, aber will man z.B. auch die Kapilärwirkungen in den Wandteilen berücksichtigen, wird es kompliziert. Wir haben uns diesbezüglich für den Boden auf die Erfahrungen unseres Holzbauers verlassen. Konkret: unser Bodenaufbau und die Höhe der Streifenfundamente hat er abgesegnet: "das würde im Unterland vermutlich nicht gehen, aber in einem Föhntal wie Vättis schon." Der Wandaufbau ist offensichtlich, rechnerisch und nach der allgemeinen Erfahrung sowieso korrekt.

Dreischichtplatten sind, wegen den enthaltenen Klebeschichten, ziemlich dampfundurchlässig. Für einen guten Wandaufbau ist das prima, jedoch braucht es unbedingt einen Luftaustausch für die Bewohner. Statt mit einer vielgepriesenen Komfortlüftung machen wir das altmodisch mit mehrmals täglicher Stossbelüftung. Das kostet etwas Wärme (etwa 10% der Gesamtheizleistung), dafür funktioniert es ohne kostspielige, reinigungsanfällige und elektrizitätsabhängige Technik. Eine durchdachte Fensterplatzierung macht es möglich, unabhängig von der Windrichting komfortabel zu lüften.

19.2. Verworfene Wärmelösungen, Begründungen

Eine reine Holzheizung funktioniert immer, wenn man zu Hause ist. Allfällige Störungen kann man im Notfall selber beheben wie auch die Pflege der Heizung selber ausführbar ist. Holz bekommt man, 100m von grossen Wäldern entfernt, voraussichtlich immer; entweder in Eigenleistung im Wald oder von einem Hobby-Fäller ofenfertig ans Haus geliefert. Stückholz kann man selber aufbereiten mit einfachen Geräten. Holzhäcksel und -pellets bedingen mehr technische Infrastruktur und meistens auch Elektrizität fürs Befördern des Brennstoffs während des Heizens, haben aber auch ihre Vorteile.

Die nächsthöhere Komplexität wäre ein Holzofen mit Absorber - quasi ein im Ofen eingebauter Sonnenkollektor - womit man einen Teil der Wärme mit einer Zirkulationspumpe über Wasserleitungen in einen (Wasser)Speicher abtransportieren kann, um einige Heizkörper oder eine kleine Fussbodenheizung (evt. zeitversetzt) zu speisen. Die so gewonnene, relativ niedrige Temperatur eignet sich aber kaum zur Warmwasseraufbereitung. Absorber sollten bei Elektrizitätsausfall keine Problemen verursachen (ausser dass sie während des Ausfalls nicht funktionieren).

Fossile Brennstoffe sind keine Option und eine reine Elektrikheizung als Dauerlösung ist in der Schweiz nicht erlaubt, abgesehen davon, dass letztere auch vorwiegend fossile Energie bedeuten würde. Wärmepumpen, in unserer Höhenlage nur Erdwärme, sind eigentlich teure Elektrikheizungen mit verbesserter Effizienz und zudem vollkommen stromabhängig.

Eine Zentralheizung mit Holz wäre eine gute Lösung, wenn die Abhängigkeit von elektrisch betriebenen Zirkulationspumpen kein Problem ist. In unserem Fall wäre es overkill und teuer (ab 30.000,-). Statt Stückholz wäre Häcksel oder Pellets dann eine bequemere Option.

Solarenergie zum Hauswärmen ist, wie erwähnt, wegen unserer Lage (3 Std. Sonne rundum Weihnachten) nur möglich, wenn man die Energie über Monate speichern kann. Das ginge mit einem im Haus integrierten Wärmespeicher von z.B. 30m³ Wasser oder mit einem Erd-/Kiesspeicher. Letzteres ist erst wirtschaftlich, wenn mehrere Häuser sich zusammen tun wegen den hohen Anlagekosten.

Wärmeeffizienz wird erreicht durch:

  • kleine Aussenfläche: eine Kugel wäre am besten
  • gute Isolation: 25cm und mehr
  • durch Zusammenfassen mehrerer Wohneinheiten als Doppelhaushälfte, Reihenhaus oder Appartment: das innere Volum nimmt beim Wachsen ja schneller zu als die Aussenfläche.

Leider fanden wir keine weiteren Interessierten für ein Bauprojekt in Vättis, somit blieb uns nur die Wandisolation und die Gesamtfläche als beinflussbare Parameter.

Impressum